Wenn Hitze den Zorn entfacht: Wie hohe Temperaturen unser Verhalten verändern
ZÜRICH – Derzeit erlebt die Schweiz eine intensive Hitzewelle mit Temperaturen jenseits der 30 Grad Celsius. Doch die Sommerhitze bringt nicht nur Schweisstropfen und Sonnenbrand – auch unser Verhalten ändert sich messbar. Viele Menschen spüren, dass sie schneller gereizt oder sogar aggressiv reagieren. Und tatsächlich: Die Wissenschaft bestätigt diesen Eindruck längst.
Bereits in den 1970er Jahren stellten Forscher wie Paul Bell und Robert Baron fest, dass grosse Hitze zu vermehrter Aggression führt. In Experimenten zeigte sich, dass Personen in heissen Räumen schneller feindselig reagierten – selbst bei harmloser Kritik. Die Toleranzgrenze sinkt mit jedem zusätzlichen Grad.
Dieser Umstand ist in der Fachwelt als „Long Hot Summer Effect“ bekannt – ein Begriff, der aufzeigt, wie wärmere Wetterbedingungen unser Verhalten beeinflussen. Menschen wirken bei Hitze nicht nur ungeduldiger, sondern auch deutlich angespannter.
Wissenschaftliche Belege für hitzebedingte Aggression
Zahlreiche Studien und Beobachtungen stützen diese Auffassung:
- Langzeitstudien aus den USA zeigen, dass Gewaltverbrechen in besonders heissen Jahren auffällig zunehmen.
- In der NFL wurden bei Spielen an warmen Tagen mehr Regelverstösse verzeichnet – vor allem unsportliches Verhalten.
- Autofahrende verhalten sich in Verkehrssituationen deutlich aggressiver, besonders, wenn die Klimaanlage fehlt.
Ein wichtiger Faktor dabei ist das Hormon Vasopressin. Laut Prof. Hanns-Christian Gunga von der Charité Berlin wird es bei Hitzestress vermehrt ausgeschüttet. Es reguliert zwar den Wasserhaushalt, senkt aber gleichzeitig unsere Hemmschwelle für aggressives Verhalten.
Hitze stresst den Körper – und damit auch den Geist
Die sogenannte „thermoneutrale Zone“, also der Temperaturbereich, in dem unser Körper ohne zusätzlichen Aufwand die Kerntemperatur halten kann, liegt zwischen 22 und 25 Grad Celsius. Alles darüber bedeutet Stress.
Florian Heindl, Notfallmediziner an den Helios-Kliniken in München, erklärt: „Das Herz-Kreislauf-System wird stark belastet. Das führt zu zusätzlichem Stress, der wiederum aggressives Verhalten fördern kann.“
Und nicht nur das: Studien zeigen, dass bei extremer Hitze auch die Hilfsbereitschaft abnimmt. Menschen ziehen sich eher zurück, wirken kälter im sozialen Umgang und verlieren leichter ihre Empathie. Forscher sprechen hier von einer „sozialen Abkühlung“ durch Überhitzung.
Wie kann man dem Hitzekoller entgegenwirken?
Einige einfache Massnahmen helfen, den negativen Effekten der Hitze zu begegnen:
- Ausreichend Wasser trinken – mindestens 2 bis 3 Liter täglich.
- Körperliche Aktivität möglichst vermeiden.
- Aufenthalte in kühlen Räumen oder im Schatten bevorzugen.
- Mehr Verständnis für sich selbst und andere entwickeln.
Wer versteht, dass Hitze das Verhalten verändert, kann besser darauf reagieren und bewusster gegensteuern. Auch ein wenig Geduld und Nachsicht mit dem Umfeld kann viel bewirken.
Fazit
Die Sommerhitze ist mehr als eine Wetterlage – sie verändert die biochemischen Prozesse in unserem Körper und beeinflusst unser soziales Miteinander. Besonders an heissen Tagen gilt somit: Ein kühler Kopf ist Gold wert.