Wenn Hässlich zum Trend wird: Wie Ugly Fashion Trost und Individualität spendet

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Wenn Haesslichkeit zum Trend wird: Wie Ugly Fashion Trost und Individualitaet spendet

ZÜRICH – Crocs mit bunten Charms, auffällige Barfussschuhe und klobige Birkenstocks: Was früher als modischer Fehltritt galt, beherrscht heute Laufstege, Streetstyle und soziale Medien. Die sogenannte „Ugly Fashion“ hat sich von einer schrillen Randerscheinung zur globalen Stilbewegung entwickelt – und das nicht ohne Grund.

Mode zum Wohlfühlen – auch in Krisenzeiten

Laut Prof. Katharina Tietze, Leiterin des Fachbereichs Trends & Identity an der Zürcher Hochschule der Künste, ist Ugly Fashion weit mehr als nur ein ästhetischer Tabubruch. Sie nennt diesen Stil ein „Krisenphänomen“ – eine modische Reaktion auf die komplexe Gegenwart. „Diese Stücke sind kitschig, manchmal albern und ja: auch hässlich“, so Tietze. „Aber gerade in Phasen gesellschaftlicher oder politischer Unsicherheit suchen viele Menschen nach Trost – und finden ihn in genau diesem Stil.“

Bunte Anhänger, Stofftiere an Taschen, grellfarbene Crocs – diese Elemente lösen nostalgische Gefühle aus. „Man erinnert sich dabei vielleicht an die Kindheit – an eine Zeit, in der alles einfacher und sorgenfreier war“, erklärt Tietze weiter. Ugly Fashion fungiert somit als emotionaler Anker in einer zunehmend digitalen und entfremdeten Welt.

Hässlich ist das neue Schön

Die Grundidee dahinter ist nicht neu: Mode lebt von Brüchen und Gegensätzen. „Was heute verstörend wirkt, kann morgen Kult sein“, sagt Tietze. Ein herausragendes Beispiel: Birkenstocks. Was früher als rein orthopädisches Schuhwerk verspottet wurde, ist heute ein stilprägendes Must-have – getragen von Models, Promis und Streetstyle-Ikonen weltweit.

Diese Transformationen verlaufen oft zyklisch. Was einst als geschmacklos galt, wird neu interpretiert und dadurch modisch aufgewertet. Dieser kreative Wandel ist, laut Tietze, entscheidend für Innovation in der Modebranche.

Widerstand gegen Perfektionismus und starre Schönheitsnormen

Ugly Fashion sendet auch eine gesellschaftskritische Botschaft. In einer Welt, in der Perfektion durch digitale Filter suggeriert wird, setzt dieser Modetrend auf Unangepasstheit, Charakter und Individualität. „Sie macht Spass, sie hat Charakter – und sie bricht bewusst mit gängigen Erwartungen“, so Tietze.

Zwar bleibt der soziale Druck, besonders in sozialen Netzwerken, weiterhin stark. Gefilterte Selfies und standardisierte Schönheitsideale setzen die Norm. Doch Ugly Fashion durchbricht diesen Trend ansatzweise und zeigt auf: Wahre Schönheit ist subjektiv und lässt sich nicht normieren.

Zwischen Stilbruch, Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit

Für viele ist Ugly Fashion heute weit mehr als nur eine ästhetische Stilrichtung. Es ist ein klares Statement – und Ausdruck von Mut:

  • Mut, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen
  • Mut, Individualität über Anpassung zu stellen
  • Mut, bestehende Konventionen zu hinterfragen

Wer „hässlich“ trägt, zeigt: Ich passe nicht in ein Raster – ich kreiere mein eigenes. So wird Ugly Fashion zu einem Spiegel kollektiver Gefühlslagen – insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung wächst das Bedürfnis nach Leichtigkeit und Geborgenheit. Die Mischung aus Retro-Charme, verspieltem Humor und stilistischer Freiheit trifft einen Nerv – nicht nur bei Modefreaks, sondern auch bei Menschen, die Kleidung als Ausdruck von Identität begreifen.

Ob Barfussschuhe und überdimensionierte Sneaker dauerhaft in unseren Schuhschränken bleiben, ist offen. Doch klar ist: Ugly Fashion hat mehr erreicht als nur zu provozieren. Sie berührt – emotional und ästhetisch – und zeigt: Stil beginnt oft dort, wo Konvention endet.

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