Rückkehr zur Internetpiraterie: Nutzer wenden sich von Streamingdiensten ab
Immer mehr Nutzerinnen und Nutzer kehren den legalen Streamingdiensten den Rücken und greifen wieder auf illegale Alternativen im Netz zurück. Der Grund liegt in einer Mischung aus steigenden Preisen, zunehmender Fragmentierung der Inhalte und wachsender Unzufriedenheit mit den aktuellen Abo-Modellen. Selbst treue Kundinnen und Kunden entscheiden sich zunehmend wieder für die Grauzone des Internets.
Vor einigen Jahren schien der Boom von Plattformen wie Netflix, Disney+ oder Amazon Prime der Untergang der Internetpiraterie zu sein. Doch laut der Anti-Piraterie-Organisation MUSO erlebte sie ein massives Comeback: Im Jahr 2024 wurden weltweit über 216 Milliarden Seitenzugriffe auf Piraterie-Webseiten gezählt – ein sprunghafter Anstieg gegenüber 130 Milliarden im Jahr 2020.
Warum kehren Nutzer zur Piraterie zurück?
Die Gründe für die Rückkehr zur Piraterie sind komplex, aber für viele Nutzerinnen und Nutzer eindeutig nachvollziehbar:
- Unübersichtliche Fragmentierung: Beliebte Inhalte sind über viele Plattformen verteilt. Wer alles sehen will, braucht mehrere Abonnements.
- Preisanstiege: Was einst günstig war, ist heute ein teures Bündel aus Einzelabos geworden.
- Wachsende Werbeflut: Selbst bei kostenpflichtigen Diensten nimmt die Werbung zu – ein Punkt, der viele besonders stört.
„Der ursprüngliche Vorteil von Streaming war: Alles an einem Ort, einfach, bequem und bezahlbar“, sagt Christian Fichter, Konsumpsychologe an der Kalaidos Fachhochschule. „Dieser Vorteil ist komplett verloren gegangen.“
Das Resultat: Immer mehr Nutzer kündigen ihre Abos – nicht aus finanzieller Not, sondern aufgrund der Überzeugung, dass sich das Vorgehen nicht mehr lohnt. Ein Nutzer bringt es so auf den Punkt: „Ich müsste heute über 100 Franken im Monat zahlen, um das zu bekommen, was mir früher 8 Dollar gebracht hat – das lehne ich ab. Deshalb bin ich wieder auf hoher See.“
Mit „hoher See“ meint er Webseiten wie Kinox oder Movie4k – Plattformen, auf denen man Inhalte kostenlos, aber eben illegal konsumieren kann.
Rechtlicher Flickenteppich in der Schweiz
Die rechtliche Lage in der Schweiz ist speziell: Laut dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum ist das Streamen und Herunterladen für den Eigengebrauch legal – auch wenn die Inhalte aus illegalen Quellen stammen. Aber: Das Weiterverbreiten, Teilen oder Hochladen bleibt weiterhin strafbar.
Solche Seiten bringen zudem erhebliche Risiken mit sich: Aggressive Werbung, Schadsoftware, Phishing und beschädigte Dateien sind keine Seltenheit. Wer diese Seiten nutzt, setzt seine Geräte und privaten Daten einem hohen Risiko aus.
Technik erleichtert den Zugang zur Piraterie
Die steigenden Zahlen bei der Piraterie hängen auch mit technologischen Fortschritten zusammen. Der Zugang zu illegalen Inhalten ist heute einfacher denn je:
- VPN-Dienste: Sorgen für Anonymität und umgehen Ländersperren.
- Schnelle Endgeräte & moderne Browser: Machen auch zwielichtige Seiten leicht bedienbar.
- Online-Communitys & Foren: Unterstützen bei der gezielten Suche nach Inhalten.
War digitale Piraterie früher technisch kompliziert, ist sie heute für viele nur wenige Klicks entfernt.
Eine Mahnung an die Streamingindustrie
Die Branche steht an einem Scheideweg: Will sie die illegale Nutzung langfristig eindämmen, müssen Geschäftsmodelle überdacht werden. Mögliche Lösungsansätze sind:
- Klarere und faire Preisstrukturen
- Transparente Angebote
- Konsolidierung der Anbieter-Plattformen
Die Bequemlichkeit des Streamings, die einst seinen Erfolg ausmachte, ist verloren gegangen. Wenn es einfacher wird, Raubkopien zu konsumieren, als ein legales Angebot zu nutzen – wird sich der Markt in diese Richtung bewegen. „Konsumenten handeln rational“, so Fichter. „Wenn der Preis-Nutzen-Faktor nicht mehr stimmt, steigen Menschen einfach aus.“
Die Filmindustrie steht nun vor wichtigen Entscheidungen: Sie kann entweder durch Innovation und mehr Kundenorientierung neues Vertrauen schaffen – oder die Rückkehr zur Internetpiraterie in Kauf nehmen.