Nationalrat will Sicherheitskooperation mit EU trotz Neutralitätsbedenken ausbauen

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Nationalrat will Sicherheitsabkommen mit der EU trotz Neutralitätsbedenken vorantreiben

Der Nationalrat plant, den Bundesrat offiziell mit Verhandlungen über ein umfassendes Sicherheitsabkommen mit der Europäischen Union zu beauftragen. Im Mittelpunkt steht eine vertiefte Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung, Cyberabwehr und Rüstungsbeschaffung. Das Vorhaben erhält angesichts der unsicheren transatlantischen Beziehungen – insbesondere im Hinblick auf eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump – eine besondere Bedeutung.

Die sicherheitspolitische Kommission hat bereits eine Empfehlung ausgesprochen, und eine Mehrheit im Nationalrat – bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von SP bis FDP – unterstützt die eigenständigere sicherheitspolitische Ausrichtung der Schweiz.

SP-Nationalrat Fabian Molina betont: „Die geopolitische Lage ist instabiler denn je. Die USA haben an Zuverlässigkeit eingebüsst.“ Er spricht sich für eine engere Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn aus, insbesondere in den Bereichen Spionageabwehr, Katastrophenhilfe und Bekämpfung digitaler Desinformation. Gerade hier könne sich die Schweiz international profilieren.

Auch die FDP unterstützt das Vorhaben. FDP-Nationalrat Heinz Theiler aus dem Kanton Schwyz sieht im Abkommen sowohl sicherheitspolitische als auch wirtschaftliche Chancen. Besonders die Beteiligung an einem gemeinsamen europäischen Beschaffungswesen könne neue Märkte für die Schweizer Rüstungsindustrie erschliessen und gleichzeitig die Kosten senken.

Widerstand kommt hingegen von der SVP. Nationalrat Thomas Hurter warnt ausdrücklich vor einem Bruch mit der traditionellen Schweizer Neutralität. Er sieht in dem Abkommen einen gefährlichen Schritt hin zu militärischen Bündnissen. Zudem bezeichnet er die US-Kritik von links als politisches Argument, um die Schweiz weiter an die EU zu binden.

Verteidigungsminister Martin Pfister entgegnet diesen Vorwürfen. Die Neutralität der Schweiz bleibe laut ihm gewährleistet. „Das geplante Abkommen verpflichtet uns zu keinen Kampfeinsätzen. Es geht vielmehr um Koordination, Effizienzsteigerung und gemeinsame Fähigkeiten bei komplexen Bedrohungen“, so Pfister.

Folgende Schwerpunkte stehen laut Bundesrat im Fokus:

  • Gemeinsamer Schutz kritischer Infrastrukturen
  • Zusammenarbeit bei der militärischen Beschaffung
  • Austausch sicherheitsrelevanter Informationen
  • Schulung & Ausbildung in grenzüberschreitenden Szenarien
  • Aufbau gemeinsamer Frühwarnsysteme

Eine Entscheidung über das Vorhaben soll in der ersten Sessionswoche im September fallen. Sollten sich National- und Ständerat zustimmend zeigen, könnten die offiziellen Verhandlungen mit der EU bereits im Herbst beginnen. Der Bundesrat signalisiert bereits jetzt volle Unterstützung – unter Wahrung des neutralitätsrechtlichen Rahmens.

Diese Entwicklung markiert eine strategische Neuausrichtung der Schweizer Sicherheitspolitik. Sie wirft die grundlegende Frage auf: Wie kann das Prinzip der Neutralität im 21. Jahrhundert verstanden und erhalten bleiben – in einer Welt voller geopolitischer Herausforderungen und technologischer Umbrüche?

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