Berner Regierung beendet Versuch mit längeren Ladenöffnungszeiten ab 2026

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Berner Regierung beendet Versuch mit längeren Ladenöffnungszeiten ab 2026

Bern – Ab dem 1. Januar 2026 schliessen die Geschäfte in der Berner Innenstadt wieder früher. Die Kantonsregierung hat beschlossen, das im Dezember 2023 gestartete Pilotprojekt mit verlängerten Ladenöffnungszeiten nicht weiterzuführen – sehr zur Freude des Gewerkschaftsbundes, jedoch zum Unmut der SVP und wirtschaftsnaher Kreise.

Während des knapp zweijährigen Versuchszeitraums durften Geschäfte in der Innenstadt samstags und an bestimmten Feiertagen bis 18 Uhr geöffnet bleiben. Der Testlauf war geografisch auf das Zentrum Berns begrenzt und hatte das Ziel, zu analysieren, ob verlängerte Öffnungszeiten aus Kundensicht attraktiv sind und ob Unternehmen sowie Mitarbeitende davon tatsächlich profitieren. Die jüngste Evaluation, bei der sowohl Angestellte als auch Ladeninhaber befragt wurden, bildet nun die Grundlage für den Entscheid, das Projekt Ende 2025 zu beenden.

Mitarbeitende sprechen sich deutlich gegen spätere Öffnungszeiten aus

Die Rückmeldungen der Angestellten fielen eindeutig aus:

  • 61 Prozent von 692 Befragten bewerteten die spätere Arbeitszeit als «sehr negativ»
  • 22 Prozent als «eher negativ»
  • Nur eine kleine Minderheit konnte dem Modell etwas Positives abgewinnen

Dies ist ein deutliches Zeichen, dass längere Präsenzzeiten im Verkauf vom Grossteil der Beschäftigten abgelehnt werden.

Unternehmer gespalten – kaum Nutzung der zusätzlichen Öffnungszeit

Unter den 141 befragten Unternehmen zeigt sich ein gemischteres Bild:

  • 27 Prozent befürworteten längere Öffnungszeiten
  • 37 Prozent lehnten diese ab
  • Der Rest verhielt sich neutral

Interessant ist, dass rund zwei Drittel der Betriebe von der Option auf verlängerte Öffnungszeiten keinen Gebrauch machten. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer beließen es bei den gewohnten Öffnungszeiten, was die Akzeptanz auf operativer Ebene ebenfalls einschränkt.

Wirtschaft vermisst spürbare Effekte – Kritik an Evaluation

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Projekts blieben laut Evaluation hinter den Erwartungen zurück:

  • Nur 20 Prozent der teilnehmenden Firmen verzeichneten einen messbaren Umsatzzuwachs
  • 70 Prozent vermeldeten keinerlei Veränderung
  • 10 Prozent berichteten sogar von Rückgängen

Der Handels- und Industrieverein des Kantons Bern kritisierte die Entscheidung der Regierung scharf. Die Evaluation sei methodisch mangelhaft und die Interessen der Wirtschaft nicht angemessen berücksichtigt worden. Besonders kritisiert wurde, dass Unterschiede zwischen Klein- und Grossbetrieben sowie der Zeitpunkt der Datenerhebung nicht differenziert genug erfasst wurden.

SVP: «Eine verpasste Chance für Kundschaft & Studierende»

Auch die SVP des Kantons Bern zeigte sich enttäuscht über das Ende der liberaleren Öffnungszeiten. In ihrer Stellungnahme betont die Partei, dass verlängerte Ladenöffnungszeiten gerade für Studierende eine wertvolle Einkommensquelle seien.

«Es ist unverständlich, dass ein kundenfreundliches Verkaufsmodell nicht weiterverfolgt wird», so die Mitteilung. Die SVP kündigt an, sich weiterhin aktiv für flexible Öffnungszeiten einzusetzen und restriktive Vorschriften zu bekämpfen.

Gewerkschaft freut sich über Rückkehr zur alten Regel – Fokus auf Personalwohl

Konträr dazu begrüsst der Gewerkschaftsbund des Kantons Bern den Entscheid mit Nachdruck. Aus Sicht der Arbeitnehmervertretung stellen verlängerte Öffnungszeiten eher eine zusätzliche Belastung als eine Verbesserung dar – insbesondere für kleinere Läden mit begrenztem Personalbestand.

Die Gewerkschaft setzt auf eine Stabilisierung des Detailhandels durch faire Löhne und angemessene Arbeitsbedingungen anstelle von verlängerten Öffnungszeiten, die vor allem zu Lasten der Mitarbeitenden gehen würden.

Donnerstagabendverkauf kommt zurück

Mit dem Ende des Projekts feiert auch der klassische Abendverkauf am Donnerstag ab 2026 ein kleines Comeback. Dieser war ursprünglich gestrichen worden, um eine Ausweitung der Samstagsöffnungszeiten zu ermöglichen. Ob und wie stark dieses Angebot von den Betrieben tatsächlich angenommen wird, bleibt jedoch offen – in der Vergangenheit hielt sich der Andrang an Donnerstagabenden in Grenzen.

Die Entscheidung der Berner Regierung bringt Klarheit, beendet aber nicht die Diskussion zwischen wirtschaftlicher Flexibilität und sozialer Verantwortung. Die Frage, wie modernes Einkaufen in der Schweiz aussehen soll – kundenorientiert oder mitarbeitergerecht – bleibt auch nach dem Ende des Pilotprojekts brisant.

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