Lipödem in der Selbstdiagnose: Risiken, Irrtümer und medizinische Aufklärung

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Lipödem in der Selbstdiagnose: Risiken, Irrtümer und medizinische Aufklärung

Immer mehr Frauen greifen zur Selbstdiagnose, wenn es um das Thema Lipödem geht – angestoßen durch unzählige virale Beiträge auf Plattformen wie TikTok und Instagram. Fachärztinnen und Fachärzte warnen jedoch vor den Gefahren: Missverständnisse und Fehlinterpretationen können nicht nur verunsichern, sondern auch ernsthafte gesundheitliche Folgen haben.

Was ist ein Lipödem?

Das Lipödem ist eine chronisch fortschreitende Fettverteilungsstörung, die besonders die Beine – und in manchen Fällen auch die Arme – betrifft. Typisch ist das Missverhältnis zum Rest des Körpers, insbesondere zur Körpermitte. Zusätzlich zu den optischen Auffälligkeiten leiden Betroffene oft unter Druckempfindlichkeit, spontanen Blutergüssen und starken Schmerzen.

In der Schweiz könnten Schätzungen zufolge etwa zehn Prozent der Frauen betroffen sein. Bei Männern tritt das Lipödem so gut wie nie auf.

TikTok ersetzt keinen Arztbesuch

In ihrer Praxis begegnet Dr. med. Andrea Braun, Gefässchirurgin und Lymphologin aus Baar, zunehmend Frauen, die bereits mit einer selbstgestellten Diagnose erscheinen. Die Informationsflut auf sozialen Medien verleite viele dazu, ihr Körperbild oder Gewicht vorschnell mit einem Lipödem zu verknüpfen.

Besorgniserregend ist dabei auch der Einsatz von sogenannten Abnehmspritzen wie Ozempic oder Wegovy. Obwohl diese Medikamente Fett abbauen, bleiben die für Lipödem typischen Körperproportionen oft bestehen. Im Extremfall kann sich das Krankheitsbild bei erneutem Gewichtszuwachs sogar verschlimmern.

Verwechslung mit ‚Wasser in den Beinen‘

Ein weiteres weit verbreitetes Missverständnis betrifft das Symptom „Wasser in den Beinen“. Viele vermuten harmlose Wassereinlagerungen – tatsächlich handelt es sich jedoch meist um eine Lymphabflussstörung, die schwere anatomische Veränderungen verursachen kann. Besonders im fortgeschrittenen Stadium machen sich ausgeprägte Veränderungen an den Oberschenkeln bemerkbar.

Drei empfohlene Therapieformen

Je nach Schweregrad und Fortschritt der Erkrankung werden drei unterschiedliche Behandlungsansätze verfolgt:

  1. Konservative Therapie: Dazu zählen manuelle Lymphdrainage und das Tragen von maßgeschneiderter Kompressionskleidung.
  2. Operative Fettabsaugung: Diese Option wird in der Regel nach mindestens einem Jahr konservativer Behandlung und bei Kostenübernahme durch die Versicherung in Betracht gezogen.
  3. Frühzeitige OP auf eigene Kosten: Einige Betroffene entscheiden sich für eine Operation bereits vor offizieller Kostenübernahme – meist bei starkem Leidensdruck.

Die Entscheidung über den Umfang des Eingriffs erfolgt individuell – abhängig davon, wie schwer die Erkrankung ausgeprägt ist.

Mehr Sichtbarkeit, aber keine Modeerscheinung

Obwohl das Thema Lipödem heute präsenter und sichtbarer ist, sollte es keinesfalls als Modeerkrankung abgetan werden. Bereits seit den 1950er Jahren ist es als medizinisch anerkannte Krankheit gelistet – dennoch wurde es lange Zeit kaum beachtet. Heute erkennen viele Frauen durch die mit Social Media geteilten Erfahrungsberichte erstmals ihre eigenen Symptome und fühlen sich verstanden.

Fazit: Fachliche Abklärung ist unerlässlich

Auch wenn persönliche Erfahrungsberichte im Netz wertvolle Impulse liefern – eine gesicherte Diagnose kann und darf nur durch medizinisches Fachpersonal erfolgen. Laut Dr. Braun ist fundiertes Wissen und gegebenenfalls die Nutzung bildgebender Verfahren notwendig, um eine geeignete und wirksame Therapie einzuleiten. Nur so lässt sich unnötiges Leid und eine mögliche Verschlimmerung der Erkrankung vermeiden.

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