Immer einsamer: Warum Männer kaum noch enge Freunde haben
Zürich – In westlichen Gesellschaften werden Männer zunehmend von tiefer emotionaler Verbundenheit isoliert. Studien aus Nordamerika und Europa zeigen deutlich: Seit rund drei Jahrzehnten nimmt das soziale Netzwerk vieler Männer kontinuierlich ab. Die Konsequenz? Die Partnerin wird häufig zur einzigen emotionalen Bezugsperson – mit weitreichenden Folgen für das emotionale Gleichgewicht innerhalb der Beziehung.
Soziale Isolation unter Männern nimmt zu
Laut Angelica Puzio Ferrara, Forscherin an der Stanford University, handelt es sich dabei nicht nur um ein individuelles, sondern um ein strukturelles Problem. In ihrer Studie von 2024 beschreibt sie das Phänomen als „Mankeeping“ – ein Ungleichgewicht, bei dem Frauen innerhalb von Partnerschaften überproportional viel emotionale Arbeit leisten. Männer hingegen fehlen bedeutsame, emotionale Freundschaften – ein Zustand, der nicht nur ungesund, sondern auch ungerecht sei.
Die klassische Männerfreundschaft, in der offen über Sorgen, Ängste oder Alltagsprobleme gesprochen wurde, ist stark rückläufig. Viele Frauen können auf ein stabiles Netzwerk von Freundinnen zählen, während Männer ihren emotionalen Austausch fast ausschließlich auf ihre Partnerin konzentrieren. Ferrara beschreibt: „Sich öffnen, wenn’s einem schlecht geht, Frust loswerden oder einfach mal verletzlich sein – das findet oft nur noch in der Beziehung statt.“
Partnerschaft als emotionale Monokultur
Diese Entwicklung führt zu einer wachsenden emotionalen Abhängigkeit der Männer von ihren Partnerinnen. Gleichzeitig berichten viele Frauen, dass sie zusätzlich zu ihren eigenen Belastungen auch noch die emotionale Verantwortung für ihre Männer tragen. Auf Dauer kann dies das Gleichgewicht einer Beziehung massiv beeinträchtigen.
Eine aktuelle Umfrage des Pew Research Centers verdeutlicht den Trend: 61 Prozent der alleinstehenden Männer geben an, aktiv nach einer Beziehung zu suchen – im Vergleich zu nur 38 Prozent bei den Frauen. Für viele Männer ist die Partnerschaft somit zur einzigen Quelle emotionaler Unterstützung geworden.
Kritik an emotionaler Einseitigkeit
Viele Frauen empfinden diesen unausgeglichenen Austausch zunehmend als belastend. Ob Treffen mit Freunden, Familienkontakte oder das emotionale Klima in der Beziehung – vieles bleibt an ihnen hängen. Die geringe Pflege männlicher Freundschaften wirkt sich somit nicht nur auf das seelische Wohl der Männer aus, sondern auch auf die Langzeitstabilität von Partnerschaften.
Was kann gegen diese Vereinsamung getan werden?
ExpertInnen empfehlen, auch jenseits der romantischen Beziehung bewusst emotionale Nähe aufzubauen. Männer sollen ermutigt werden, echte emotionale Offenheit im Freundeskreis zuzulassen. Frauennetzwerke und ihre Formen der gegenseitigen Unterstützung können hier als positives Vorbild dienen.
Eine Förderung von emotionaler Verbundenheit unter Männern kann dazu beitragen, das Risiko emotionaler Vereinsamung zu senken und gleichzeitig Partnerschaften zu entlasten.
Die stille „Einsamkeitsepidemie“ unter Männern schreitet vielleicht unbemerkt voran – ihre Auswirkungen aber sind tiefgreifend. Es ist an der Zeit, neue Wege im Umgang mit Freundschaft, emotionaler Verantwortung und Gleichstellung zu gehen.