Zwischen Mode und Feminismus: Das Phänomen des ‚Performative Male‘

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Zwischen Mode und Feminismus: Das Phaenomen des „Performative Male“

ZÜRICH – Pastellfarbene Hemden, Secondhand-Taschen aus kleinen Concept-Stores und Klassiker von Autorinnen wie Sally Rooney oder Judith Butler: Der sogenannte „Performative Male“ inszeniert sich als sensibler Gegenentwurf zum klassischen Männlichkeitsbild – und sorgt damit für Diskussionen.

In Städten wie Zürich, Basel oder Bern wird dieser Männertyp zunehmend sichtbar. Sie tragen feminine Accessoires wie Perlenketten, kombinieren Loafer mit weissen Socken und nippen am Matcha-Latte – stets bedacht auf ein popkulturell geschultes und politisch korrektes Auftreten. Ziel ist es, zu zeigen, dass ihr Rollenverständnis dem 21. Jahrhundert entspricht – dies äußert sich auch deutlich in ihrer Ästhetik.

„Diese Männer inszenieren ein Bild, das sie als ideal für die Erwartungen emanzipierter Frauen wahrnehmen“, erklärt Sozialwissenschaftlerin Guinevere Unterbrink. Dass dieser neue Männlichkeitsstil weltweit Aufmerksamkeit erhält, zeigt sich unter anderem auf TikTok: Der Hashtag #performativemale wird global geteilt, in den USA gibt es bereits Wettbewerbe zur Kür des authentischsten Vertreters.

Doch was steckt hinter der Fassade aus Pastell und Popkultur? Der „Performative Male“ steht im Zentrum einer Debatte über Echtheit und Motivation. Handelt es sich um authentische Überzeugung – oder lediglich um eine geschickte Strategie, um sich feministisch zu präsentieren und soziale Vorteile zu erzielen?

„Äussere Zeichen wie feministische Buchklassiker oder politische Aufnäher sagen nichts über das Innenleben aus“, warnt eine Contest-Veranstalterin aus Seattle. Der Vorwurf: Einige Männer geben sich feministisch, ohne tatsächlich alte Verhaltensmuster und Denkstrukturen zu hinterfragen.

Auch auf Schweizer TikTok-Accounts zeigt sich die Meinungsvielfalt: Während einige dieses neue Männerbild feiern, reagieren andere mit Ironie. Eine Userin kommentiert: „Margaret Atwood sagte einmal, Frauen würden ihr ganzes Leben lang für einen Voyeur performen – offenbar machen Männer jetzt dasselbe.“

Besonders kritisch ist die queere Community. Für viele schwule Männer ist der „Performative Male“ eine Form kulturellen Diebstahls. Ästhetiken, die einst als Schutz- und Ausdrucksmittel queerer Identität galten, werden laut Kritik nun von heterosexuellen Männern übernommen – nicht aus Identifikation, sondern um auf dem Datingmarkt besser zu bestehen. Ein Kommentar bringt es auf den Punkt: „Sie nehmen sich unsere Codes und tarnen damit patriarchale Muster.“

Historisch war Mode stets ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen – sei es zur Emanzipation oder als trendgetriebenes Vehikel. Der „Performative Male“ stellt sich nun sowohl stilistisch als auch ideologisch dem dominanten „Alpha Male“ entgegen: Statt Dominanz zählen Sensibilität, kuratierter Stil und eine scheinbar zurückhaltende Coolness.

Stylistin Sharon Jost betont: „Mode kann ein starkes Statement sein, aber sie braucht Substanz. Wer feministische Outfits trägt, muss auch feministische Haltungen leben.“ Als Beispiel nennt sie Schauspieler Evan Mock, der nicht nur Kleidung, sondern auch seine Haltung in Interviews und Engagements zum Ausdruck bringt.

Der Trend zeigt klar das Spannungsfeld zwischen Geschlechterrollen, Stil und politischer Aussage. Doch Jost mahnt zur Vorsicht: „Dieser Look wird nicht ewig Trend bleiben. Aber Elemente wie Perlen oder genderfluide Schnitte könnten Teil eines neuen Normalzustands werden.“ Subversives wird Mainstream – aber der Mainstream verlangt nach Authentizität.

Manche Männer behaupten, schon lange so zu leben („Ich mach das seit 2020, nicht erst seit TikTok!“), während andere mehr Tiefe fordern. „Mode ohne Haltung ist Kostüm – und kein Fortschritt“, liest man in einem kritischen Kommentar.

Fazit: Der „Performative Male“ bewegt sich zwischen Anspruch und Oberfläche, zwischen Engagement und Stil. Wer mehr als ein modisches Statement setzen will, muss durch Haltung überzeugen. Denn letztlich bleibt die Frage: Ist es Ausdruck – oder nur ein geschickt inszeniertes Echo alter Muster?

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