Beziehungsstress durch ständiges Handy-Scrollen: Wenn digitale Ablenkung Nähe verhindert

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Beziehungsstress durch ständiges Handy-Scrollen: Wenn digitale Ablenkung Nähe verhindert

Wenn das Smartphone zum ständigen Begleiter im Alltag wird, kann das erhebliche Auswirkungen auf unsere Partnerschaften haben. Obwohl digitale Technologien ursprünglich dazu gedacht waren, uns zu verbinden, erleben viele Paare das Gegenteil: emotionale Distanz durch ständige Ablenkung. Wer beim Abendessen mehr aufs Display schaut als ins Gesicht des Partners oder der Partnerin, signalisiert – oft unbewusst: „Du bist gerade nicht meine Priorität.“

Der Paar- und Sexualberater David Siegenthaler aus Zug macht auf dieses Phänomen aufmerksam: „Es sind die kleinen, scheinbar unwichtigen Mikro-Momente – ein Blick, eine Berührung, ein Lächeln – die Beziehungen nähren. Wird das Handy zur Hauptperson, bleiben diese Momente auf der Strecke.“

Dass diese emotionale Entfremdung real ist, zeigen viele Erfahrungsberichte. Ein Betroffener erzählt: „Der übermassige Smartphone-Konsum meiner Frau belastet unsere Familie sehr. Wir haben sogar versucht, die Geräte zu zerstören – aber ohne langfristigen Erfolg.“

Auch das familiäre Gleichgewicht wird gestört, wenn ein Elternteil emotional durch digitale Dauerpräsenz abwesend ist. Vor allem Kinder spüren dies deutlich – sie fühlen sich übersehen und benachteiligt.

Der stille Konflikt beginnt oft am Bildschirm

Meist beginnt der Konflikt leise: Einer sucht Nähe, der andere flüchtet sich in sein Smartphone. „Es entsteht ein Teufelskreis“, warnt Siegenthaler. „Je mehr einer sich zurückzieht, desto mehr klammert der andere – was wiederum zum weiteren Rückzug führt.“ Die Folge: emotionale Distanz und ein tiefes Gefühl innerer Einsamkeit.

Doch nicht immer steckt Uninteresse dahinter. Für viele Menschen wird das Smartphone zu einem „Comfort Item“ – ein vertrautes Sicherheitsnetz zur Stressbewältigung oder als Ausweichstrategie bei unbequemen Gesprächen. Auch das sollte erkannt und offen besprochen werden.

Warum gerade manche Beziehungstypen besonders leiden

Besonders betroffen sind Personen mit einer ängstlich-ambivalenten Bindung. Sie deuten das ausbleibende Interesse oft als Ablehnung. „Diese Personen brauchen überdurchschnittlich viel Bestätigung“, erklärt Siegenthaler. Ein kurzer Blick aufs Handy kann bei ihnen das Gefühl auslösen, emotional verlassen worden zu sein.

Wer in früheren Beziehungen emotionale Zurückweisung erlebte, reagiert besonders sensibel auf digitale Distanzen. Dies kann zu innerem Rückzug oder häufigen, unnötigen Konflikten führen.

Mehr Nähe durch smarte Regeln statt Verbote

Wie lässt sich der Ausstieg aus der digitalen Spirale schaffen, ohne gleich strenge Handyverbote einzuführen? Der Schlüssel liegt laut Siegenthaler im offenen Gespräch. Fragen wie:

  • „Was bedeutet dir dein Smartphone?“
  • „Wie fühlst du dich, wenn ich beim Gespräch aufs Handy schaue?“

Diese Fragen ermöglichen echte Lösungsansätze.

Empfohlene Vereinbarungen:

  • 📵 Handyfreie Zonen: etwa beim Essen oder im Schlafzimmer
  • Übergangszeit: Nach Feierabend 20 Minuten Digitalzeit, bevor man in den Partner-Modus wechselt
  • 💬 Inhalte teilen: Gemeinsames Ansehen eines Posts kann ein Gesprächsanstoß sein

Wer genau hinsieht, erkennt schnell: Es geht nicht um Technik – sondern um das unsichtbare Bedürfnis nach Verbindung.

Digital Detox als Chance für Zweisamkeit

Einige Paare entdecken kreative Wege, um sich wieder näherzukommen. Ein Nutzer berichtet, dass er und seine Partnerin ihre Handys nur noch zwei- bis dreimal täglich checken – am Wochenende sogar ganz ausschalten. Das Ergebnis: mehr Gespräche, intensivere Nähe, weniger Streit.

Am Ende bleibt das Smartphone ein Werkzeug. Unsere Nutzung entscheidet über Nähe oder Distanz in der Beziehung. Bewusstes Verhalten schafft Raum für echte Begegnungen.

Und manchmal ist der „Flugmodus“ nicht nur gut fürs Gerät – sondern der beste Lebensmodus für Beziehungen.

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