Traditionelle Alpabfahrt über den Klausenpass lockt zahlreiche Zuschauer
Mit Kuhglocken, Festtagstracht und viel Herzblut trieben am Samstag rund 40 Älplerinnen und Älpler über 1000 Kühe bei der traditionellen «Bodäfahrt» vom Hochgebirge zurück auf den Urner Boden. Dieses eindrucksvolle Ereignis markiert nicht nur das Ende der Älplersaison, sondern zieht jedes Jahr auch Scharen von Zuschauern entlang der spektakulären Strecke durch die Alpen an.
Nach etwa sieben Wochen auf verschiedenen Hochalpen kehren Mensch und Tier zur grössten zusammenhängenden Kuhweide der Schweiz zurück – dem Urner Boden. Die «Bodäfahrt» ist weit mehr als ein herkömmlicher Alpabzug: Sie steht sinnbildlich für ein gelebtes Stück Schweizer Kulturerbe und wird mit viel Stolz gepflegt und weitergegeben.
«Die Strecke war happig», erzählt Silvia Muheim-Arnold (38), die mit ihrer Herde von der Alp Wannelen kam. Sechs Stunden Marsch über den schmalen und steilen Klausenpass verlangten allen Beteiligten Präzision und Ausdauer ab. «Links und rechts geht’s steil bergab – da passen kaum zwei Kühe nebeneinander», schildert sie den anspruchsvollen Weg. Und der Moment am Ziel? «Wenn wir alle gesund unten ankommen, ist das für mich das Schönste.»
Auch Franz Imholz (70), langjähriges Mitglied des Organisationsteams, verweist auf die tiefe Verwurzelung der «Bodäfahrt»: «Diese Tradition gibt’s seit Generationen – und sie lebt weiter durch die Begeisterung, die sie bei Älplern und Besuchern gleichermassen auslöst.»
Die Zuschauererlebnisse sind nicht minder eindrücklich. Mit Kameras, Wanderstöcken und oft leuchtenden Augen säumen sie Jahr für Jahr die Wege entlang der Passroute. Silvia Muheim-Arnolds treffende Beschreibung: «Es ist fast wie ein Marathon-Zieleinlauf, wenn die Leute rechts und links des Pfades stehen.»
Zu den erfahrenen Teilnehmenden zählt auch Toni Gisler (71), der bereits zum 35. Mal die Reise antrat – diesmal mit der ganzen Familie auf einer der kürzeren Routen. «Es ist jedes Mal ein Erlebnis», sagt er und ergänzt stolz: «Besonders schön ist es, wenn auch die nächste Generation mitmacht. Wichtig ist, dass wir uns gegenseitig respektieren – denn heute haben die Kühe Vortritt.»
Die «Bodäfahrt» ist weit mehr als ein traditioneller Viehtrieb – sie symbolisiert die enge Verbindung von Mensch, Tier und Natur. Für viele Einheimische, aber auch für immer mehr Touristen, stellt dieses Kulturerlebnis einen besonderen Jahresmoment dar, bei dem Authentizität, Brauchtum und Alpenromantik aufeinandertreffen.
Einmal mehr zeigt sich: Wo Kühe den Verkehr regeln, Älpler stolz ihre Trachten tragen und die Berge in Nebelschleiern ruhen, da ist die Schweiz ganz bei sich selbst. Wer inmitten dieser Szenerie steht, spürt: Der Alpensommer geht zu Ende – die goldene Herbstzeit beginnt.