Schweizer Comedian darf nicht reisen – Alltag mit dem F-Ausweis
Basel – Obwohl er in der Schweiz geboren wurde und hervorragend integriert ist, erlebt der 23-jährige Comedian Natnael täglich die Einschränkungen eines Systems, das ihm selbst das Reisen untersagt – vollkommen legal.
Mit über 16’000 Followern auf Instagram zählt Natnael mittlerweile zu den etablierten Stimmen der Schweizer Comedy-Szene. Seine kurzen, pointierten Videos verbinden feinsinnigen Humor mit gesellschaftlich relevanten Themen. Besonders sein Alltag mit dem sogenannten F-Ausweis steht oft im Mittelpunkt – ein Thema, das vielen bisher kaum bekannt war.
Humor mit Haltung
Einer seiner beliebtesten Clips, «Wenn dir dein Schweizer Akzent rausrutscht», wurde mehr als eine Million Mal angesehen. Er spielt darin gekonnt mit sprachlichen Eigenheiten, schweizerischer Zurückhaltung und Dialekten – begleitet von lokaler Volksmusik und einer Prise Ironie. Dadurch bringt er nicht nur viele zum Lachen, sondern regt auch zum Nachdenken an.
Doch unter seinen Posts finden sich auch immer wieder rassistische Kommentare. «Da schreibt dann irgendein Hans-Peter, ich solle dahin zurück, wo ich herkomme. Nur: Ich bin hier geboren», sagt Natnael. «Ich bin Schweizer – fühle mich auch so. Aber auf dem Papier eben nicht.»
Seit seiner Geburt lebt er in der Schweiz. Sein offizieller Aufenthaltsstatus ist jedoch «vorläufig aufgenommen». Der F-Ausweis, den schon seine Eltern nach der Flucht aus Äthiopien erhielten, begleitet ihn bis heute als bürokratisches Stigma – über Jahrzehnte hinweg.
Eingeschränkte Rechte trotz eigener Wurzeln in der Schweiz
Mit einem F-Ausweis ist das Reisen ins Ausland nur in Ausnahmefällen erlaubt. Ob für internationale Auftritte oder Familienbesuche – die Realität ist ernüchternd. Von Einbürgerung kann kaum die Rede sein, solange kein äthiopischer Heimatsausweis vorliegt.
«Ich kann nicht einfach zur Botschaft gehen und mir den Pass holen. Es ist ein bürokratischer Albtraum», erklärt Natnael. Für ihn fühlt sich das nach systematischer Ausgrenzung an. «Du wirst behandelt wie ein Gast – nur, dass du nie eingeladen wurdest», sagt er über seinen Alltag voller rechtlicher Unsicherheiten.
Von der Pandemie ins Rampenlicht
Während der Corona-Lockdowns begann Natnael, Comedy-Videos zu drehen. Damals war er noch in der Lehre, durch Kurzarbeit hatte er plötzlich Zeit. «Also habe ich mein Handy genommen und losgelegt», erzählt er.
Er startete mit englischen Clips, wechselte dann zum Dialekt – und sein Humor traf einen Nerv. Heute arbeitet er für eine Social-Media-Agentur und produziert täglich Inhalte. «Reich wird man davon nicht, aber es bringt etwas», sagt er. Der Aufwand ist unterschiedlich: von zehn Minuten bis zu acht Stunden – je nach Idee.
Sein langfristiges Ziel? «Ich will nicht nur unterhalten. Ich will einen gesellschaftlichen Diskurs anregen. Humor ist mein Werkzeug.»
Verbundenheit trotz limitiertem Spielraum
In jedem seiner Clips zeigt sich die enge Verbindung zur Schweiz. Besonders Basel hat es ihm angetan – sprachlich und kulturell. «Baseldytsch kommt bei mir nach dem Solothurner und dem Walliser Dialekt ganz oben», sagt er lachend. Der Thurgauer Dialekt hingegen? «Nicht so meins – aber halt Geschmackssache.»
Auch sportlich ist die Verbundenheit spürbar. Als Fan von FC Basel, FC Lausanne und Arsenal war er einst selbst aktiver Fussballer – als Torwart. Ein Spiel bleibt besonders in Erinnerung: «Neun Gegentore. Danach war klar: Humor liegt mir mehr.»
Humor als verbindender Anker
Für Natnael ist Lachen mehr als Unterhaltung. Mit feinem Humor und viel Authentizität lenkt er die Aufmerksamkeit auf ein strukturelles Problem: die rechtliche Unsichtbarkeit von gut integrierten Menschen mit Migrationshintergrund in der Schweiz.
Wenn deutsche Follower kommentieren, dass sie «kein Wort verstehen», bleibt er gelassen – und antwortet mit selbstbewusstem Dialekt und einem charmanten Lächeln.
Seine persönliche Geschichte ist ein Spiegel für gesellschaftliche Realitäten. Denn selbst wenn für ihn die Schweiz längst Heimat ist, wirft seine Herkunft weiterhin Schatten auf seine Rechte und Möglichkeiten.
Natnael ist mehr als nur ein Comedian. Er ist Teil einer neuen Generation, die gehört werden will – mit Kreativität, Durchhaltevermögen und einer gesunden Portion Selbstironie.