Erfolgreiche Rückkehr: Wilder Bartgeier schlüpft erstmals wieder im Taminatal
Im Kanton St. Gallen wurde ein bedeutender Schritt für den Artenschutz vollzogen: Nach über zehn Jahren ist im abgelegenen Taminatal ein junger Bartgeier in freier Wildbahn geschlüpft und erfolgreich ausgeflogen. Dieses Ereignis gilt als Sinnbild für den Erfolg der länderübergreifenden Wiederansiedlung von Bartgeiern, die in den 1980er-Jahren begonnen hat.
Historischer Nachwuchs
Der frisch geschlüpfte Jungvogel stammt aus der ersten Generation von Bartgeiern, die ab 2010 im Calfeisental freigelassen wurden. In diesem Gebiet, das zum eidgenössischen Jagdbanngebiet «Graue Hörner» gehört, wurden insgesamt zwölf Vögel ausgewildert. Der neue Nachwuchs ist das erste freigeborene Bartgeier-Küken seit Beginn des regionalen Wiederansiedlungsprogramms.
Verborgenes Nest in abgelegener Felswand
Der Vatervogel ist der 2014 ausgewilderte Bartgeier Noel-Leya. Die Identität des Muttertiers ist bislang unklar. Das Nest befand sich laut dem Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons in einer schwer zugänglichen Felswand – weit entfernt von menschlichem Einfluss.
„Solche abgelegenen Standorte sind entscheidend, um eine erfolgreiche Brut zu ermöglichen“, erklärt Amtsleiter Dominik Thiel.
Ein Vogel kehrt zurück
Der Bartgeier war Anfang des 20. Jahrhunderts in den Alpen vollständig ausgestorben – durch intensive Verfolgung, falsche Mythen und Verlust seines Lebensraums. Doch 1986 begann ein umfassendes Wiederansiedlungsprogramm, das mittlerweile sichtbare Erfolge zeigt.
Herausforderungen bleiben
Doch trotz dieser positiven Entwicklung bleiben Herausforderungen bestehen. Die genetische Vielfalt der Schweizer Bartgeier bleibt gering, was zu Inzuchtproblemen führen kann. Zudem gefährden menschliche Störungen zunehmend das Brutverhalten der sensiblen Vögel. Dazu gehören:
- Helikopterflüge
- Drohnen
- Wildtierfotografen
Solche Einflüsse können dazu führen, dass Elternvögel ihre Nester verlassen. Aus diesem Grund werden konkrete Brutstandorte nicht veröffentlicht.
Ein ermutigender Meilenstein
Die erfolgreiche Brut im Taminatal wird von Fachleuten als weiterer bedeutender Schritt hin zu einer stabilen, sich selbst erhaltenen Bartgeierpopulation angesehen. Der Kanton betont:
„Viele der im Calfeisental ausgewilderten Bartgeier tragen heute zur genetischen Vielfalt bei – indem sie sich auch in anderen Teilen der Alpen fortpflanzen.“
Langfristige Vision
Die Koordination des Projekts in der Schweiz liegt bei der Stiftung Pro Bartgeier in Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden. Ziel ist eine dauerhafte Besiedlung des Alpenraums durch eine stabile Bartgeierpopulation – hoch oben in unberührter Bergwildnis.
Mit jeder erfolgreichen Brut rückt diese ökologische Vision ein Stück näher. Für Naturliebhaber:innen und Ornitholog:innen bleibt es spannend zu verfolgen, wie sich einer der majestätischsten Greifvögel Europas seinen Platz in der Alpenwelt zurückerobert.