Klimastreit in Zug: Indonesische Inselbewohner verklagen Holcim wegen Überschwemmungsschäden

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Klimastreit in Zug: Indonesische Inselbewohner verklagen Holcim wegen Überschwemmungsschäden

Zug – Vier Bewohnerinnen und Bewohner der indonesischen Insel Pari haben eine Zivilklage gegen den weltweit tätigen Zementkonzern Holcim eingereicht. Der Vorwurf: Holcim trage erhebliche Mitverantwortung für die Klimaveränderungen, die auf ihrer Insel zu immer häufigeren und stärkeren Überschwemmungen führten.

Mit Unterstützung einer Schweizer Hilfsorganisation fordern die Kläger nicht nur Schadensersatz und ideelle Genugtuung, sondern auch konkrete Klimaschutzmassnahmen. Der Prozess beginnt am 3. September vor dem Kantonsgericht Zug und könnte als Präzedenzfall internationale Bedeutung erlangen.

Überflutete Lebensgrundlagen auf Pari

Die Kläger – Ibu Asmania, Arif Pujianto, Edi Mulyono und Pak Bobby – leben auf Pari, einer kleinen Insel südlich von Jakarta, die zunehmend vom steigenden Meeresspiegel bedroht ist. Ihre Wohnhäuser, Gärten und Lebensgrundlagen sind stark gefährdet.

In ihrer Klage argumentieren sie, dass Holcim, als einer der weltweit grössten Zementhersteller, durch seine erheblichen CO₂-Emissionen wesentlich zum Klimawandel beiträgt. Sie fordern insgesamt 14’700 Franken – zur Deckung von:

  • Materiellem Schadensersatz
  • Ideeller Genugtuung
  • Finanzieller Unterstützung für lokale Schutzprojekte wie Mangrovenaufforstung und Wellenbrecher aus Drahtkörben („Bronjongs“)

Holcim unter den „Carbon Majors“

Die Klage stützt sich unter anderem auf Forschungen des renommierten Klimaforschers Richard Heede, der Holcim zu den Top 100 Emittenten weltweit zählt – den sogenannten „Carbon Majors“. Laut der Menschenrechtsexpertin Nina Burri von HEKS ist die Zementindustrie für mehr CO₂-Emissionen verantwortlich als die gesamte globale Luftfahrtbranche.

Die Kläger streben nicht nur Entschädigung, sondern konkrete Klimaziele an:

  1. Reduktion der CO₂-Emissionen um 43 Prozent bis 2030
  2. Reduktion um 69 Prozent bis 2040, in Übereinstimmung mit wissenschaftlich fundierten Klimazielen

Vergebliche Schlichtung – nun Gericht

Im Juli 2022 gab es einen Schlichtungsversuch in Zug, dem Sitz von Holcim. Dieser blieb jedoch erfolglos. Im Januar 2023 reichten die Betroffenen offiziell Klage ein. Die juristische Vertretung übernimmt Cordelia Bähr, die bereits durch ihren Erfolg mit dem Fall der „Klimaseniorinnen“ vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bekannt wurde.

Holcims Reaktion

Holcim selbst weist die juristische Verantwortung zurück. Eine Unternehmenssprecherin erklärte: „Es ist Aufgabe der Politik, hierfür die Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Der Konzern betont seine eigenen Klimaschutzmassnahmen und verweist auf ein Netto-Null-Ziel bis 2050 sowie ambitionierte Zwischenziele bis 2030.

Ein politischer Prozess mit möglicher Signalwirkung

Obwohl die geforderte Summe vergleichsweise gering ist, besitzt die Klage symbolische Tragweite. Sie könnte einen wegweisenden Präzedenzfall schaffen für weitere Klagen aus dem globalen Süden gegen grosse Emittenten. Dabei geht es um mehr als Geld – es geht um Klimagerechtigkeit und die Frage globaler Verantwortung.

Für die Menschen auf Pari ist dieser Rechtsstreit nicht nur juristisch, sondern persönlich von existenzieller Bedeutung. Sie fordern, dass grosse Unternehmen wie Holcim aktiv Verantwortung für die Folgen ihrer Emissionen übernehmen – und damit ein klares Zeichen an die internationale Klimapolitik senden.

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