DNA-Analyse offenbart wahre Krankheitsursachen im Russlandfeldzug von 1812

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DNA-Analyse enthüllt wahre Ursachen der Krankheiten im Russlandfeldzug von 1812

Eine bahnbrechende genetische Untersuchung hat eines der finstersten Kapitel der europäischen Militärgeschichte neu beleuchtet: den katastrophalen Russlandfeldzug von Napoleon im Jahr 1812. Anders als bisher angenommen war nicht Typhus die Hauptursache des Massensterbens, sondern Paratyphus und das Rückfallfieber.

Der Russlandfeldzug wird als eine der grössten militärischen Katastrophen in Europa betrachtet. Etwa 600.000 Soldaten der französischen „Grossen Armee“ marschierten nach Russland – nur rund 30.000 kehrten zurück. Bisherige Erklärungen führten das Debakel auf Hunger, extreme Kälte und Typhus zurück. Eine neue Studie zeigt jedoch ein bisher unterschätztes Krankheitsbild auf.

Forschung mit Zähnen aus Massengräbern

Ein Team des renommierten Institut Pasteur untersuchte mithilfe neuester metagenomischer Methoden DNA-Proben aus den Zähnen gefallener Soldaten, die in Massengräbern bei Vilnius (Litauen) beigesetzt wurden. Die Resultate waren überraschend: Es fanden sich keine Spuren des klassischen Typhus-Erregers Rickettsia prowazekii. Stattdessen identifizierten die Forscher:

  • Salmonella enterica Paratyphi C, verantwortlich für Paratyphus
  • Borrelia recurrentis, der Auslöser des durch Kleiderläuse übertragenen Rückfallfiebers

Von 13 untersuchten Proben zeigten vier genetische Hinweise auf Paratyphus und zwei auf Rückfallfieber. Die Studie unterstreicht, dass besonders die Kombination aus körperlicher Erschöpfung, Unterkühlung, Hunger und diesen Infektionen das Heer dezimierte.

Historische Bestätigungen und hygienische Mängel

Die neuen Befunde stimmen mit historischen Berichten überein. Bereits 1812 beschrieb Militärarzt J.R.L. de Kirckhoff Symptome wie Durchfall und Ruhr. Diese deuten auf Krankheiten hin, die durch schmutziges Wasser und mangelhafte Hygiene ausgelöst wurden. Damals herrschten in den Lagern menschenunwürdige Bedingungen:

  • kontaminiertes Trinkwasser
  • Lausbefall durch enge Quartiere
  • generelle Unterversorgung

Alte Krankheitserreger mit Geschichte

Genetische Analysen zeigen, dass sowohl Paratyphus als auch Rückfallfieber der Menschheit seit Jahrtausenden bekannt sind. So war Paratyphi C bereits im antiken Europa verbreitet, und Borrelia tauchte wohl schon in der Eisenzeit auf. Dies verdeutlicht nicht nur die historische Kontinuität dieser Erreger, sondern auch ihre bislang unterschätzte Rolle bei Epidemien früherer Zeiten.

Fazit und Ausblick

Die Studienautoren mahnen zur Vorsicht: Aufgrund der geringen Probenzahl lassen sich keine endgültigen Schlüsse ziehen. Es bleibt möglich, dass Typhus dennoch eine Rolle spielte – vielleicht in Verbindung mit anderen Krankheiten. Weitere genetische Analysen sind daher geplant, um das medizinische Gesamtbild des Feldzugs besser zu verstehen.

Fest steht: Auf den Schlachtfeldern der Geschichte forderten Krankheiten oft mehr Leben als Waffen. Die neuen Erkenntnisse aus den Massengräbern bei Vilnius zeigen eindrücklich, wie wertvoll moderne Wissenschaft für das Verständnis historischer Ereignisse sein kann – und welche Geschichten sich in den kleinsten Spuren wie den Zähnen längst verstorbener Soldaten verbergen.

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